Die Kirche wächst jenseits der Konflikte – in aller Stille

In der stillen Zeit des Hochsommers verlieren für Thomas Seiterich die kirchlichen Konflikte an Bedeutung. Dafür sieht er die Kirche in unscheinbaren Bereichen wachsen: dort wo Menschen anderen beistehen – unabhängig von Konfession oder Glaube.

Von Thomas Seiterich |  Bonn – 30.07.2021

Es ist Hochsommer, die Höhe des Jahres. Eine stille und doch volle Zeit, in der die kirchlichen Reformkonflikte, schreiende Glaubwürdigkeitsfragen, die oberkirchlichen Ärgernisse und der aktuelle vatikanische Kriminalprozess in den Hintergrund treten. Sie sind, wie ich meine, für kurze Zeit einfach nicht so wichtig.

Eine andere, positive Erfahrung dieser Tage ist mir wichtig: Die Kirche wächst, in aller Stille. Gemeint ist damit nicht die konfessionelle, katholische oder, mit ihr verbunden und doch säuberlich getrennt, die evangelische. Und schon gar nicht die Amtskirche.

Ich habe an einem feierlichen Einführungsgottesdienst teilgenommen. Dieser Tage an einem Nachmittag, mitten in der Woche. Neunzehn Frauen und Männer hatten viele Monate lange gelernt, selbstkritische Selbsterfahrungen gemacht und sich auf Herz und Nieren prüfen lassen, um eine Telefonseelsorgerin oder ein Telefonseelsorger zu werden. Alles ehrenamtlich. Darunter einige bekennende Christinnen, einige Nicht-mehr-Christen, eine Anzahl Suchende. Insgesamt ein großer Regenbogen an unterschiedlichen Lebenswegen, jede Menge Diversität. Von tätowiert bis promoviert – alle verbunden durch das eine Ziel, als Telefonseelsorgende Anruferinnen und Anrufern, Personen in Not beizustehen, durch Zuhören, Mitempfinden, gegebenenfalls Konfrontieren, Nichtmoralisieren und Nichtverurteilen.

So sehe ich die Kirche wachsen. Langsam und unspektakulär. Dank dem persönlichen Engagement nicht weniger Leute. Trotz der großen Konflikte. Dieser Vorgang hat Schönheit. – Mein selbst erfundenes, ganz persönliches “Lieblings”-Dogma lautet aus diesem Grund: Das meiste Gute kommt von unten.