Hilfsformen: begegnen, begleiten, klären, halt geben

TelefonSeelsorge als Institution bietet eine Form des Kontakts an, der durch Anonymität, die Vorgaben des Mediums und in seiner Funktion begrenzt ist.

Das unspezifische (“alle Notlagen”) und durchgängige (24-Std.) Angebot lädt ein, hohe Erwartungen, Vorstellungen eines umfassenden Rückhalts und Gehalten-Werdens zu wecken und fördert damit regressive Tendenzen. (Sucht und Missbrauchsgefahren müssen bedacht werden.)

Test- und Scherzanrufe, inszenierte (Schock-) Anrufe, gewaltandrohende Anrufe, Sexanrufe, beleidigende Anrufe sind eine besondere Herausforderung für das Angebot der TelefonSeelsorge.

Die mit der TelefonSeelsorge in Kontakt tretende Person hat ein Anliegen. (Sie hat ein Problem, erlebt Leidensdruck, will eine Information, langweilt sich, will austesten, will sich unterhalten usw.)

TelefonSeelsorge macht ein Angebot, bei dem die Wahrnehmung der Beziehung zum Anrufenden, die Regeln und Rahmenbedingungen des Kontakts Grundlage der Begegnung sind. Die Diensthabenden der TelefonSeelsorge nehmen die Beziehung zur Kontakt suchenden Person sowie Regeln und Bedingungen des Kontakts wahr, benennen und verhandeln sie u. U. mit der Frage, was für die Kontakt suchende Person förderlich/hilfreich ist. Insbesondere hilfreich ist, was der Kontakt suchenden Person Selbstbegegnung ermöglicht. Selbstbegegnung ist das Mittel, um die Kontakt Suchenden ihre eigenen Fähigkeiten und Ressourcen wahrnehmen zu lassen und wird so zur Hilfe zur Selbsthilfe.

Diese Hilfestellung ist möglich

  • durch Authentizität, Offenheit und Empathie der TelefonSeelsorge-Diensthabenden,
  • durch fokussierende, handlungsleitende Hypothesen, welche Beziehungsgestaltung bzw. welche Inhalte des Kontakts förderlich/hilfreich sind.

Kontaktbereitschaft und Begrenzung des Kontakts gehören institutionell und individuell unbedingt zusammen, wenn Begegnung und Selbstbegegnung geschehen soll.

Die Mitarbeitenden, die in einer beauftragten und qualifizierten Rolle Dienst in der TelefonSeelsorge machen, brauchen eine immer wieder hohe Sensibilität für das Beziehungsangebot an sich, für ihre persönlichen Möglichkeiten und Grenzen und insbesondere für eigene Beziehungsthemen und Bedürftigkeit.

Während die Grundhaltung der Kontaktbereitschaft, Offenheit, Authentizität den Boden für Kontakt, Begegnung und Dialog mit entsprechender Begrenzung ermöglicht, sind es Begleitung, Klärenund Halt geben, die den Fokus auf einen bestimmten Aspekt des Kontakts und seines Inhalts legen.

Das Angebot der TelefonSeelsorge braucht ein Setting, das Begegnung erst ermöglicht. Der zunehmenden Beschleunigung, dem Wandel und der Veränderung in Beziehungen stellt TelefonSeelsorge bewusst ihr Angebot entgegen: sie bietet den Rahmen und die Zeit an, die dem Anrufenden ermöglicht, sich wahrgenommen und geachtet zu fühlen, um damit zu einer Begegnung mit sich selbst zu kommen.

Die technische Erreichbarkeit wurde mit den vielfältigen telekommunikativen Angeboten beträchtlich gesteigert. Paradoxerweise entwickelt sich die persönliche Erreichbarkeit rückläufig. Statt der Person meldet sich der Anrufbeantworter, der Email-Briefkasten ist mit nutzloser Info-Schwemme überfüllt.

Auch TelefonSeelsorge hat Mühe unter dem enormen Ansturm an Anrufen erreichbar zu bleiben. Nach wie vor treffen Anrufende zu häufig auf “besetzt”. TelefonSeelsorge sieht es aber als ihr Angebot und ihre Aufgabe, sozial erreichbar zu bleiben. “Soziale Erreichbarkeit meint, den Menschen nicht nur räumlich und zeitlich verankert wahrzunehmen, sondern ihm mit Achtung und Wertschätzung zu begegnen, ihm zuzuhören und ihn zu “erkennen”, das heißt den Menschen auch in seiner Seele zu erreichen und ihn in seinem Herzen zu treffen” (aus: Jahresbericht der TS Schwarzwald-Bodensee 2001).

begegnen

Begegnung legt den Schwerpunkt auf das Wie des Kontakts.

Im Kontakt kann wahrgenommen werden, was da ist. Es entsteht damit erst die Freiheit, wirklichen Kontakt zu schaffen (vgl. Satir):

  • Sehen und hören was ist, nicht was sein sollte.
  • Fühlen und denken, was ist, nicht was sein sollte.
  • Fühlen, was jemand fühlt, nicht was er fühlen möchte.
  • Fragen, was jemand wünscht, ohne auf Erlaubnis zu warten.
  • Freiheit, Risiken einzugehen, ohne auf der sicheren Seite sein zu müssen.

Begegnen meint eine Haltung, bei der die Kontakt suchende Person einen geschützten Raum vorfindet, in dem sie (vgl. Wieners, J. Auf Draht 4/98)

  • nicht diskriminiert wird
  • nicht fachlich beraten wird
  • nicht diagnostiziert wird
  • ausprobieren darf
  • das Recht hat, hilflos zu bleiben
  • das Recht hat zu leiden
  • gleichberechtigt Nähe/Distanz und Länge des Gesprächs mitbestimmt.

begleiten

Im Gegensatz zum Gegenübertreten der Begegnung geht es bei der Begleitung um eine gemeinsame Wegstrecke oder Zeitspanne.

Begleitung assoziiert den Emmaus-Gang der Jünger. Seelsorge geschieht “beiläufig”, auf dem Weg, unterwegs. Indem die TSlerin die Kontakt suchende Person begleitet, geht sie mit, mal im gleichen Schritt, neben oder leicht hinter dem Kontakt Suchenden, um seine Schritte nachzuvollziehen und seine Gangart kennenzulernen, mal einen halben Schritt voraus, geleitend.

Begleiten kann ein Wechselspiel sein, die Gangart des Kontakt Suchenden kennenzulernen und sich darauf einzulassen und dann wieder Angebote zu machen, einen Weg zu zeigen.

Begleitung hat ihr Ziel erreicht, wenn der Kontakt Suchende weiß, wie er weitergehen kann, welche Unterstützung er braucht, welche Schritte zu tun sind.

An der Seite sein kann auch Sinn machen, unveränderbare und belastende Lebenssituationen auszuhalten, schwierige Lebensabschnitte durchzustehen.

klären

Klärung kann betreffen

  • den Kontakt (Was sind die Rahmenbedingungen des Kontakts?)
  • die eigene Person der Diensthabenden (Wie ist die eigene Verfassung, das eigene Erleben? Wo sind im Moment die eigenen Grenzen?)
  • den Kontakt Suchenden (Was sind die Erwartungen an das Gespräch? Was ist der bewusste, was ist der unbewusste Auftrag? Welche Ebenen des Modells “der Reisende” sind angesprochen? Bei der Klärung kann es um Informationen gehen, um die Klärung von Emotionen, um die Sprache des Körpers, um Selbstinszenierungen, um Bilder der Seele.)

Klären betont den Aspekt, dass für den Moment des Kontakts ein Fokus gefunden wird. Dieser bringt eine innere oder äußere Realität in den Blick, die Konsequenzen für Einstellungen oder Verhalten für den Kontakt Suchenden hat.

halt geben

Halt geben ist das Angebot der TS in der Krisenintervention. Eine Krise labilisiert eine Kontakt Suchende Person in ihrem sozialen System und für sich selbst. Krise ist damit Bedrohung des Bestehenden und löst Angst aus.

TS unterstützt Ich-Funktionen des Kontakt Suchenden und hilft ihm damit dabei, sich seiner Realität zu stellen und mögliche Schritte der Bewältigung/Veränderung zu finden.

Wichtig kann es sein, dem Anrufer wieder ein Bewusstsein für eigene Ressourcen und Fähigkeiten zu geben, die er selbst zur Verfügung hat.

Nach dem Gesprächsmodell für die Arbeit in der TelefonSeelsorge von Dr. Hans Stauß, das sich besonders für krisenhafte Gespräche eignet, sind drei wichtige Schritte zu beachten (Vgl. Handbuch der TelefonSeelsorge, 1995, S.60):

  1. Klärungshilfe durch einfühlendes Verstehen,
  2. Klärungshilfe durch Moderieren des Gesprächsprozesses,
  3. Klärungshilfe durch krisenbezogenes Fokussieren.

In Krisengesprächen ist der Prozess der Begrenzung wichtig. Das Problem sollte fokussiert werden, eine allgemeine und umfassende Hilfestellung ist nicht möglich. Andere Hilfsangebote können benannt und angeboten werden.

(Grundzüge des Modells wurden auf der Regionaltagung Südwest 2001 diskutiert und festgelegt.)